Wie du deinen Selbstheilungsnerv aktivieren kannst

Jede Zeitschrift hat ihn gerade auf der Titelseite, jede Dokumentationsserie im Fernsehen hat im vergangenen Jahr mindestens eine Folge darüber gebracht – den Vagus-Nerv, der, so könnte man den Eindruck gewinnen, zum neuen Heilsbringer für unsere Gesundheit avanciert. Ist das wirklich so? Und wenn dem so ist, können wir Yoga nutzen, um diesen Super-Nerv besonders fit zu machen?

Der Vagusnerv, oder auch „Nervus Vagus“, ist der zehnte Hirnnerv und der Hauptnerv des Parasympathikus. Er wird auch als „umherschweifender Nerv“ bezeichnet, da er im Gehirn seinen Ursprung hat und über den Hals bis zum Bauchraum führt und die verschiedensten Funktionen übernimmt.

Der Vagusnerv, als Hauptnerv des parasympathischen Systems, ist an der Regulation fast aller innerer Organe beteiligt. So steuert er die Aktivität von Herz, Magen-Darm-Trakt, Lunge, Nieren, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und der Geschlechtsorgane.

Umgekehrt leitet er auch Informationen der inneren Organe an das Gehirn weiter und erzählt unserem Hirn, wie es unserem Körper so geht. Der Vagusnerv hat auch Einfluss auf unsere kognitive Leistung, unser Verhalten und unsere Emotionen. Dies bewerkstelligt er, indem er beispielsweise die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn, wie Dopamin, GABA, Serotonin, Adrenalin, Oxytocin und Acetylcholin stimuliert.

Das vegetative Nervensystem

Zur Erinnerung: Parasympathikus und Sympathikus sind Gegenspieler in unserem vegetativen Nervensystems. Das System in uns, das lebenswichtige Körperfunktionen übernimmt, die automatisch ablaufen und nicht durch unseren Willen beeinflusst werden können. Unsere Atmung, unser Herzschlag, unser Stoffwechsel oder unsere Verdauung gehören zum Beispiel dazu.

Drohen Gefahr oder Ärger, wird unser Sympathikus aktiv. Er entspringt dem Rückenmarkt und sorgt dafür, dass dem Körper unmittelbar Energie zur Verfügung steht, um zu kämpfen oder zu flüchten. Der Herzschlag wird beschleunigt, die Atmung geht schneller, und alle Funktionen, die gerade nicht zum Überleben unbedingt notwendig sind, wie die Verdauung, werden heruntergefahren. Der Parasympathikus übernimmt die genau gegenteiligen Funktionen: Er senkt die Frequenz des Herzschlags, sorgt für die Verdauung. Er ist der Anteil unseres Nervensystems, der für Regeneration zuständig ist.

Aus dem Gleichgewicht gebracht

Eigentlich ist unser Organismus so aufgebaut, dass die beiden Systeme sich die Waage halten – auf Anstrengung und Alarmbereitschaft müssen Ruhe und Entspannung folgen. Aber unser moderner Lebensstil hat den gesunden Wechsel der beiden Nervenbündel bei vielen komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Wir sind zum Teil dauergestresst, jede Handymitteilung, jeder Termin im Kalender, jede neue Email versetzt uns in Alarmbereitschaft und aktiviert den Sympathikus. Und ein aktiver Sympathikus hat aus historischen Gründen in unserm vegetativen Nervensystem immer Vorfahrt. Dadurch hat aber der Parasympathikus kaum mehr eine Chance, um aktiv zu werden.

Stanley Rosenberg, ein berühmter Körpertherapeut und Autor des Buchs „Der Selbstheilungsnerv“, sagt, dass nur ein Körper, der sich in völliger Sicherheit wiegt und in einem tatsächlichen Zustand von Ruhe befindet, dem Vagusnerv den Raum gibt, um agieren zu können.

Der Grund dafür ist, dass es eigentlich zwei Vagusstränge gibt: einen hinteren und einen vorderen. Wenn der Organismus unter Stress steht oder einer traumatischen Situation ausgesetzt ist, fällt der hintere Teil in eine Art Starre – wir stellen uns quasi tot wie ein Opossum. Wenn wir diese nicht lösen (etwa durch Entspannungstechniken oder therapeutische Hilfe), kann der vordere Teil Ro­senberg zufolge überhaupt nicht in ­Aktion treten.

Aktiviere deinen Selbstheilungsnerv mit Yoga

Ein geschwächter Vagusnerv kann also viele unangenehme Konsequenzen haben. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Wenn der Vagusnerv nicht so aktiv ist, wie er sein sollte, kann er durch gezielte Stimulation gestärkt werden.

Yoga ist ein erprobtes Mittel, um den Vagusnerv in seiner positiven Arbeit für unseren Körper und unser Wohlbefinden zu unterstützen.

Die Aktivierung des Vagusnervs durch Yoga scheint auf die besondere Atemweise beim Yoga rückführbar zu sein.

Man weiß, dass schnelles Atmen (60 oder 120 Atemzüge pro Minute) den Vagusnerv hemmt, wohingegen langsames Atmen, wie es beim Yoga praktiziert wird (3-9 Atemzüge pro Minute) den Vagusnerv stimuliert.

Beim Yoga wird auch die sogenannte Ujjayi (sprich udschaii) Atmung praktiziert, bei der die Stimmritzen verengt werden. Dadurch entsteht ein Widerstand, gegen den man einatmet. Durch den dadurch entstehenden Druck wird der Vagusnerv, der am Kehlkopf entlang verläuft, besonders stark stimuliert.

Auch die im Yoga praktizierten Rückbeugen dehnen den vorderen Ast des Vagusnerves sanft und helfen so, ihn zu aktivieren.

Fazit: Der Vagusnerv ist wirklich spannend und beeinflusst mehr in unserem Körper, als wir uns vorstellen können. Auf jeden Fall hat er mein Interesse geweckt, genauer herauszufinden, welche Yogaübungen besonders positive Effekt erzielen. Und ich bin schon mittendrin, eine spezielle Yoga-Sequenz für diesen besonderen Nerv zu entwickeln.

Namasté ihr Lieben